Bäm! Heute plaudern wir aus dem Nähkästchen. Wer meinen Instagram-Account in den letzten Wochen verfolgt hat, konnte unweigerlich erkennen, dass meine Fotos neuerdings zu leben, ja gar zu atmen begonnen haben. Wie diese animierten 3D Live-Photos in groben Zügen entstehen, möchte ich in diesem Beitrag, der euch hinter die Kulissen führt, veranschaulichen. Bühne frei.
Damit ich meine statischen Fotos zum Leben erwecken kann, nutze ich ein ganz bestimmtes und kostenpflichtiges Tool: Photomotion X von der Software-Schmiede INTEGNITY. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Standalone-Anwedung. Im Gegenteil: Es ist ein gut konstruiertes Werkzeug, das mit After Effects CC (und auch älteren Versionen) kompatibel ist. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ein Weg an Adobe After Effects CC vorbei gibt es im Grunde gar nicht, es ist schlichtweg notwendig. Man kann es sich so vorstellen: Währen die eine Software-Komponente das Chassis bildet, ist der andere Teil der Aufbau mit dem gearbeitet wird, um das Projekt zum Leben zu erwecken. Frankenstein lässt von nun an grüßen!
Bevor sich was im Bild bewegt: Ankerpunkte definieren und Meshes auflegen
Im Wesentlichen kommt Photomotion X mit fünf unterschiedlichen Settings um die Ecke, die sich jeweils an einem anderen Einsatzzweck orientieren. In jedem Setting ist es natürlich erforderlich, dem Programm Hilfestellung zu leisten, indem das Foto in gewisser Weise kartografiert wird. Im unteren Beispiel kann man erkennen, wie ein Cage (Käfig) die Tiefe in unser Bild bringt. Wir beginnen also einen Horizont zu definieren, von wo aus sich die Achsen zurück zum Hauptobjekt und somit zur Kamera-Linse richten. Anschließend wird die Bildkomposition auf mehrere Ebenen aufgeteilt. Das bedeutet: Freistellen in Photoshop und durch einzeln voneinander getrennte Ebenen Tiefe erzeugen: Vordergrund, Mitte und Hintergrund. Wie hier zu sehen: Text, Model, Stadtkulisse.
Der Controller in der Mitte ist unser Steuerungstool, um die spätere Bewegung und Kameraführung zu definieren. Man gibt also Werte für Zoom-Faktor, Kameraschwenk usw. an und kann anschließend in seiner Timeline die Komposition auf bspw. 120 Frames trimmen, was 4 Sekunden entspricht (30 Frames per Second). Natürlich lässt sich auch ein Loop einbauen, was wir von Instagram in gleicher Weise als Boomerang kennen – dabei spielt die Animation 120 Frames vorwärts und die gleichen 120 Frames wieder rückwärts, woraus sich der nicht endende infinity loop ergibt. Echt nice!
Portraits, die einen anstarren: Fixpunkte für Augen und Nase definieren
Es ist schon ziemlich gruselig, wenn die Animation abspielt und der Blick der portraitierten Person einem folgt. Genau dieser Effekt ist hingegen einer der Besten überhaupt! Das Bild unten zeigt den Prozess des Face Setup. In diesem Stadium wird mit Hilfe eines Cinema 4D-Plugins ein dreidimensionales Mesh, sprich Drahtgitter, auf das Gesicht gelegt und anschließend justiert. Wird später über den Bewegungs-Controller auf einer gewünschten Frame-Zahl das Ziel festgelegt, wandert das Gesicht beim Abspielen genau an diese Stelle und so hypnotisch es auch ist: der Blick der Person ebenfalls. Echt Hot Baby! Schaut es euch hier live an.
Zusätzlich gibt es natürlich noch allerhand Features und Spielereien, die dafür sorgen, dass die Szene authentisch und realistisch wirkt. Allen voran gehören hierzu die Partikel-Effekte, wovon Photomotion X unglaubliche 33 Varianten mitliefert. Von Schneegestöber, über fallendes Blattwerk bis hin zu gebrochenem Glas ist alles dabei. Auch lässt sich über das Puppet-Feature von After Effects im zu bearbeitenden Photomotion-Projekt die Figur animieren, ähnlich einer Marionette, wodurch die Bewegung eines einzelnen Armes oder der fallenden Haare noch imposanter wirkt.
Live Photos: Mach als Künstler was andres als die anderen
Ich gebe zu, die Hemmschwelle diese Software zu nutzen (After Effects, Photomotion und Photoshop) ist sehr hoch. Auch der Zeiteinsatz ist enorm – da ziehen schon einige Stunden der Bearbeitung ins Land, während man die meiste Zeit mit Warten verbringt und dem System beim Pre-Rendern einzelner Frames zuschaut. Meine 32 Gigabyte RAM-Speicher im iMac sind in diesen Phasen vollkommen ausgelastet. Darüberhinaus arbeite ich nicht mit Stock-Fotos sondern kreiere das vom Shooting, über die Retusche bis hin zum finalen Bildlook vollkommen selbst, was nur Vorarbeit bedeutet, denn jetzt beginnt der Animations-Prozess erst.
Und doch habe ich mich mit voller Begeisterung dazu entschieden, genau diesen Style weiter zu perfektionieren. Warum? Ganz einfach: In der Masse von Millionen und Abermillionen Nutzern geht man schneller unter als man Fischers Fritze sagen kann. Der große Social-Media-Teich beherbergt eine überaus artenvielfältige und breite Population großartiger und weniger großartiger Fotografen. Wohingegen sehr wenige Kreativ-Geister existieren, die exakt diesen Output der sich bewegenden Fotos auf professionellem Niveau (nicht mit Apps wie Enloop etc) ins Portfolio packen. Die logische Konsequenz: Spezialisiere dich in einer Disziplin, was automatisch zu mehr Resonanz führen wird.
Liebe Blogleser/innen, ich freue mich, wenn ich euch für meine lebendigen Fotos begeistern kann. Folgt mir gerne auf Instagram, und lasst euch von der nächsten Show in den Bann ziehen. Ich freue mich über jeden Kommentar. Euer Stefan Riedl